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Das Babypartymonster

4 Mär

Absurd, dass auf nahezu allen Baby Parties, das Wort ‚Baby‘ nicht gesagt werden darf. Wer es dennoch sagt, muss entweder eine von drei rosa Blümchenanstecknadeln hergeben oder einen Euro in die Baby-Kasse werfen. Das ist von Party zu Party unterschiedlich. Meine Miene ist etwa immer gleich: Irgendwas zwischen Nervenzusammenbruch und hysterischen Lachanfallsselbstmordgedanken.

Die Gastgeberin sitzt auf einem dieser typischen Ikea-Sofas und sieht aus, als hätte sie einen Medizinball verschluckt. Alle fünf Minuten hoffe ich, dass es tatsächlich so ist, kann ich mir sie doch so gar nicht als Mutter vorstellen. Was vielleicht daran liegen mag, dass ich noch Bilder von ihr im Kopf habe, wie sie in irgendeiner Disco mit zu kurzem Rock und zu wenig Unterwäsche schreiend auf der Bar tanzt. Aber Menschen ändern sich schließlich. Oder wachsen an ihren Aufgaben. Oder werden erwachsen. Oder werden verantwortungslose Eltern. Wobei das nicht mein Bier sein sollte.

Während ich mir gerade von einer Dame mit hängenden Brüsten erklären lassen muss, wie so eine Milchpumpe denn so funktioniert, werde ich schon auf die nächste Hochzeit eingeladen. Die Frauen müssen aber unbedingt etwas in fuchsia tragen. Ich nicke lächelnd und wühle gedanklich in meinem Kleiderschrank nach dieser abgefuckten XXL-Jeans, die ich vor Jahren als wahnsinnig cool empfunden habe. Unterste rechte Schublade, ganz hinten links. Wobei ich es ja vorziehen auf Hochzeiten mein schwarzes, trägerloses Kleid anzuziehen, das etwas zu knapp für Beerdigungen ist, aber auf Hochzeiten gerne für schiefe Blicke sorgt.

Es ist mittlerweile meine achte Baby-Party. Bald folgt die elfte Hochzeit. Dabei kann ich mich gar nicht erinnern, so viele Freunde zu haben, die plötzlich in Torschlusspanik verfallen sind. Das passierte wohl nach den ganzen Parties, dem Kotzmarathon in meiner Wohnung, dem Spruch „Ash, Du wirst sicher vor uns allen glücklich verheiratet und Mutter sein.“. Wie das Leben mal wieder spielt.

Dann erneut die Frage, die ich vorhin schon vier Mal unbeantwortet ließ: „Kommst Du in Begleitung?“ Natürlich nicht. Aber das wissen auch alle. Dennoch fragen sie. Etwas Schadenfreude in der Stimme. Die ich nachher so zirka überall habe, wenn sie mir von durchgemachten Nächten, Augenringen und ringenden Ohren erzählen. Nicht wegen irgendeiner viel zu furchtbaren Party, die sie nicht auslassen konnte, sondern weil das kleine Bastardkind, was tatsächlich nicht meine Wortkreation war, einfach nicht die Fresse halten kann, was tatsächlich nicht meine Wortwahl war. Da kichere ich etwas in mich hinein. Habe ich nachts schließlich meine Ruhe, wenn ich meine Nase in Bücher stecke oder den Bildschirm fixieren, um die nächste Abgabe zu perfektionieren. Die Parties habe ich schließlich schon lange vor ihnen aufgegeben. Einfach so.

„Ach, Liebes, vielleicht wäre ja mein Cousin etwas für Dich.“, höre ich plötzlich zum zehnten Mal von der Frau eines Freundes. Der Cousin war beim ersten Mal schon nichts für mich. Ich hab’s dann doch nicht so mit ungebildeten Malern, die Medizinbälle verschluckt haben. Wobei ich ja langsam nehmen muss, was kommt. Wieder mal nicht meine Wortwahl.

Ich fresse angewidert Babybrei, weil man das auf dieser Babyparty so macht, trinke den ekelhaftesten Orangenschaft meines Lebens und rauche alle paar Minuten eine am Klo. Dabei lehne ich mich so weit aus dem Fenster, dass sich mein Lachanfallsselbstmordgedanke wieder meldet.

Als ich dann gehe, ist es erst sechs Uhr abends. Denn die werdende Mutter muss bald ins Bett. Die Bastardkinder der anderen ebenso. Zwei Stunden später treffe ich mich mit einigen Ehemännern der Babypartygäste und frage mich, wann diese Jungs plötzlich so erwachsen geworden sind. Das frage ich mich dann nicht mehr, als sich der Erste vor dem zweiten Lokal übergibt. Spätestens nach dem Rülpswettbewerb und Diskussionen über das neuen Playstationspiel frage ich mich nur noch eines: „Und? Wie wollt ihr irgendein Kind groß ziehen, wenn ihr nicht mal euch auf die Reihe bekommt?“ Aber auch das soll nicht mein Problem sein.

Es wird Mitternacht. Alle gehen nach Hause. Ich zuerst. Weil.. Wieso weiß ich selbst nicht so genau. Vielleicht wegen meiner neuer Arbeitsmoral. Wohl eher wegen dem Haufen Arbeit, der mich zuhause erwartet. Vielleicht auch wegen dem Spruch: „Ach, Ash. Du wirst irgendwann auch glücklich.“ Und viel mehr wegen dem Gedanken: „Ich glaube, ich bin glücklicher als ihr.“